Vor kurzem ist mit «Farbe: Material und Wirkung» der fünfte Band in der beliebten Zeichnenbuchreihe von Peter Boerboom und Tim Proetel erschienen. Dies haben wir zum Anlass genommen um mit den zwei Künstlern über ihre gemeinsame Arbeit zu sprechen.
Martina Räber, Hauptverlag: Ihre Bücher kommen mit sehr wenig Text aus: Die Bilder sprechen in der Regel für sich und meistens reicht ein Satz, um auf das Gezeigte aufmerksam zu machen. Wie kam dieses Konzept zustande?
Tim: Sie sagen es, Bilder haben eine eigene Sprache. Und unsere Bilder wirken oft sehr einfach, ebenso soll die Sprache sein. Wir tarieren das Verhältnis zwischen Bild und Text auf jeder Seite so aus, dass das Gleichgewicht zwischen ihnen erhalten bleibt. Das Konzept folgt unserer Überzeugung, dass Bilder lesbar sind. Dennoch sind die Texte wichtig, sie eröffnen den Dialog mit den Bildern, wollen auch nicht hinter sie zurücktreten, sondern sind durchaus selbstbewusst.
Peter: Unsere Zeichnungen sollen einfach und einladend sein, nicht zu kompliziert, nicht zu „kunstvoll“, nicht zu fertig. Das hat schon eine Weile gedauert, bis wir die richtige Art der Bilder gefunden haben, die im Zusammenspiel mit wenig Text und machmal mit erläuternden Hilfslinien einen bestimmten Sachverhalt genau so wie wir es wollen zum Ausdruck bringen. Unsere Bild-Text-Sprache hat sich dann ja auch sehr bewährt und ließ sich auf alle großen Zeichenthemen und selbst beim neuen Farbbuch anwenden. Ich denke, dass das eigene Tun im Zentrum allen zeichnerischen Lernens steht, und dass wir deswegen in unseren Bildbeispielen Anregungen für die eigene Zeichenpraxis geben müssen.
Die Reduktion zeigt sich auch in der Gestaltung Ihrer Bücher – außer im neuesten Band «Farbe» sind alle Zeichnungen in schwarz-weiß. Welche Vorteile bietet diese Beschränkung auf schwarz-weiß – und welche Nachteile?
Peter: Ich habe das Arbeiten in schwarzweiß nie als Begrenzung empfunden. Ein wesentliches Merkmal der Zeichnung ist es ja, dass sie in der Farbe meist reduziert ist. Natürlich ist es ein wenig schade, wenn wir auf die vielen farblichen Nuancen im Grau und im Schwarz verzichten müssen, weil wir nur mit einer schwarzen Farbe drucken. Aber unsere Bücher müssen in erster Linie Lust aufs Zeichnen machen, und nicht unsere eigenen Zeichnungen als Kunstwerke originalgetreu in Szene setzen.
Tim: Schwarz-weiß heißt ja vor allem auch grau. Und darin verbirgt sich eine gewaltige Vielfalt, vom Atmosphärischen bis zum ganz nüchternen. Hinsichtlich der Themen der ersten vier Bände war Farbe in den Zeichnungen schlicht nicht notwendig, und im Verzicht eröffnete sich die Möglichkeit, mit der jeweiligen Sonderfarbe gestalterische Akzente zu setzen. Diese würden in farbigen Zeichnungen ja völlig untergehen.
Wie muss man sich Ihre Zusammenarbeit vorstellen? Wer ist für was verantwortlich? Wie ergänzen Sie sich?
Tim: Wir sind inzwischen ein sehr eingespieltes Team, wir inspirieren uns gegenseitig, unterstützen uns und haben Freude daran, unsere gemeinsamen Themen zu diskutieren. Dabei sind wir zwar sehr ehrlich miteinander, aber auch nicht rücksichtslos, wir wollen ja weder die Freundschaft noch die Zusammenarbeit gefährden. Man muss schon auch gut zueinander sein, wenn man auf Augenhöhe miteinander arbeitet. Die Bücher wachsen in einem sehr organischen Prozess, da gibt es keine strikten Aufteilungen. Trotzdem gibt es vielleicht bestimmte Vorlieben, ich feile gerne an den Texten und Peter ist wirklich ein Spezialist in der Bildbearbeitung.
Peter: Wir erarbeiten uns die Bücher wirklich zusammen. Jeder macht zwar seine eigenen Zeichnungen, aber alle anderen Bereiche der Buchgestaltung, die Bilderauswahl, das Layout, die Kapitel, die Texte sind Teamwork. Natürlich bringt jeder seine eigene Profession und Vorliebe ein, aber letztlich entscheiden wir jedes Detail zusammen.
Wir diskutieren viel und für manche Lieblingszeichnung muss man gute Argumente haben - um sie dann später doch zu opfern. Es ist ein langer Prozess des Ordnens und Hin- und Herschiebens im Layout, um die Abfolge der Kapitel im Buch und der Zeichnungen im Kapitel zu präzisieren. So formt sich das Buch langsam, die Texte kommen relativ spät dazu, zuletzt das Glossar.
Was mögen Sie besonders aneinander?
Peter: Es ist sicher die gemeinsame Freude am Zeichnen, und die Lust so ein Buchprojekt zu stemmen. Dazu gehört großes Vertrauen, freundschaftliche Verbundenheit und das Wissen, dass Kritik immer sachlich und konstruktiv ist. Besonders schätz ich an Tim die anregenden Gespräche, die Impulse geben aus Sackgassen auch wieder heraus zu kommen. Und die Genauigkeit, der Anspruch, das jetzt genau so unmissverständlich wie möglich darzustellen. Kein „passt schon“, sondern es auf den Punkt bringen zu wollen.
Tim: Ich hoffe, dir nicht unrecht zu tun, aber ich mag deine Unaufgeregtheit. Weil das dabei hilft, die Dinge klar einzuschätzen. Ja, und auch als Freunde verbringen wir gerne Zeit miteinander, Peter hat einen Blick auf die Welt, der mich interessiert und den ich gerne teile.
Haben Sie einen Lieblingsband in der Reihe?
Tim: Immer den neuesten, also im Moment die Farbe. So war jedes Buch schon mal dran.
Peter: Ein Lieblingsbuch zu benennen fällt mit schwer. Ich mag sie alle! Im Unterricht arbeite ich oft mit dem Figurbuch und jetzt auch mit dem Farbbuch. Aber auch das erste, zum Thema Raum hab ich schon eingesetzt. Das ist in mancher Hinsicht vielleicht etwas besonderer, weil es der erste Band war und sich in ihm alle stilbildenden Mittel herausgebildet haben.
Ihre Bücher wurden bereits in mehrere Sprachen übersetzt. Ist Zeichnen etwas Universelles, das überall gleich funktioniert?
Peter: Zeichen und Zeichnungen sind sicher verbindender und universeller als Sprache. Das sieht man ja schon daran, dass die Texte unserer Bücher übersetzt werden müssen, wir aber keine einzige Zeichnung verändern. Ich denke auch, dass das Zeichnen lernen überall mit genauem Hinschauen und viel Üben verbunden ist.
Tim: Ich glaube nicht, dass Zeichnen überall gleich funktioniert. Zeichensysteme sind durchaus an spezifische kulturelle Entwicklungen gebunden. Selbst bildnerische Symbole werden in verschieden Regionen und Kulturen unterschiedlich verwendet und gelesen. Aber auch das Verständnis für Abstraktion, für bestimmte Bildsprachen, also ob eine Zeichnung eher sachlichen oder expressiven Charakter hat, und vor allem auch die Empfindlichkeit gegenüber Kitsch, ist regional sehr unterschiedlich.
Woran arbeiten Sie gerade? Sind weitere gemeinsame Projekte in Planung?
Tim: Für mich ist es - mit Blick auf das Bildermachen - gerade eine Zeit des unbefangenen Herum- und Ausprobierens. Ich male, wozu ich Lust habe, da kommen sehr unterschiedliche Sachen dabei heraus, vielleicht verfolge ich einiges weiter, anderes wird für immer verschwinden. Im Moment tut es ganz gut, auch nicht zweckgebunden arbeiten zu können, denn davon gibt es im Leben sonst eine ganze Menge. Ideen zu weiteren Projekten gibt es, aber von Planung kann man noch nicht sprechen.
Peter: Wir haben Überlegungen zu weiteren Bänden. Die sind noch nicht ganz ausgereift. Für mich kann es nach dem großen Komplex der Farbe wieder zurück gehen zu sehr einfachen Dingen. Zu ganz Grundlegendem und Elementarem für’s zeichnen lernen.